Ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι.
- Ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι.
- Ō andres Athenaioi.
- „Ihr Männer von Athen!“
Wendung, die Sokrates in seiner Verteidigungsrede häufig verwandte und auch der Apostel Paulus in seiner Rede auf dem Areopag gebrauchte.
Sokrates:
Paulus:
Ὦ γάμοι, γάμοι.
- Ὦ γάμοι, γάμοι.
- Ō gamoi, gamoi.
- „Eh’n, ihr Ehen, ach!“
Fluch des Königs Ödipus im Drama des Dichters Sophokles über die Institution der Ehe, als er gerade herausgefunden hat, dass er seinen eigenen Vater erschlagen und seine eigene Mutter geheiratet hat.
Weiter klagt Ödipus in dieser Tragödie:
Ödipus ist ein Sohn des Laios, des Königs von Theben, welchen er in einem Handgemenge tötet. Später erhält er als Belohnung dafür, dass er Theben von der Sphinx befreit, Iokaste, die Witwe des Königs und damit seine eigene Mutter, zur Ehefrau. Erst später erfährt er, dass Iokaste und Laios seine leiblichen Eltern sind. Wie es von einem Orakel vorausgesagt wurde, beging Ödipus also sowohl Vatermord als auch Inzest. Im Drama König Ödipus sticht sich Ödipus am Ende die Augen aus und flieht ins Exil.
Ὦ δέσποτα, μέμνησο Ἀθηναίων.
- Ὦ δέσποτα, μέμνησο Ἀθηναίων.
- Ō despota, memnēso Athēnaiōn.
- „Herr, gedenke der Athener!“
Worte, die ein griechischer Sklave dem persischen König Dareios I. jedes Mal, wenn er sich zu Tische setzte, dreimal zurufen musste, denn Dareios wollte sich an den Athenern wegen des ionischen Aufstandes rächen, einer Rebellion der kleinasiatischen und zyprischen Griechen gegen die persische Oberherrschaft.
Obwohl die an der kleinasiatischen Küste lebenden ionischen Griechen unter den Persern zahlreiche Privilegien genossen, erhoben sie sich 500 v. Chr. Die Athener brachen den Bündnisvertrag und sandten militärische Unterstützung. 499 v. Chr. wurde Sardes, die Hauptstadt der Satrapie Lydien, eingenommen und zerstört.
Außerdem soll Dareios einen Pfeil Richtung Himmel geschossen und dabei ausgerufen haben:
Ὦ Κρίτων […] τῷ Ἀσκληπιῷ ὀφείλομεν ἀλεκτρυόνα.
- Ὦ Κρίτων […] τῷ Ἀσκληπιῷ ὀφείλομεν ἀλεκτρυόνα. ἀλλ‘ ἀπόδοτε καὶ μὴ ἀμελήσητε.
- Ō Kritōn […] tō Asklēpiō opheilomen alektryona, all’ apodote kai mē amelēsēte.
- „O Kriton, […] wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig, entrichtet ihm den, und versäumt es ja nicht.“
Nach Platon letzte Worte des Sokrates zu seinem Freund Kriton, nachdem er, zum Trinken des Schierlingsbechers verurteilt, das Gift getrunken hatte. Asklepios war der Gott der Heilkunst, und als Sokrates die Wirkung des Gifts verspürte, sah er sich zum Dank an Asklepios veranlasst; denn die alten Griechen unterschieden sprachlich nicht zwischen Arznei und Gift; beides war für sie ein φάρμακον pharmakon. Manche Interpreten nehmen auch an, Sokrates habe ausdrücken wollen, dass der Tod für den Menschen eine Erlösung sei.
Vergleiche auch Σῶμα σῆμα. („Der Körper ist ein Grabmal.“)
Ὦ ξεῖν’, ἀγγέλλειν Λακεδαιμονίοις ὅτι τῇδε κείμεθα τοῖς κείνων ῥήμασι πειθόμενοι.
Das so genannte „Thermopylen-Epigramm“ des Simonides von Keos soll auf dem Gedenkstein für die dreihundert Spartiaten gestanden haben, die in der Schlacht bei den Thermopylen den Kampf gegen die persische Übermacht mit ihrem Leben bezahlten.
„τὸ ῥῆμα“ (hier als τοῖς ῥήμασι) kann auch mit „Gesetz“ und „πείθειν“ (hier als Partizip πειθόμενοι) auch mit „gehorchen“ übersetzt werden, zusammen also mit „… den Gesetzen gehorchend“ (wörtlich „als den Gesetzen Gehorchende“).
Der römische Politiker und Redner Marcus Tullius Cicero schlägt einen pathetischen Ton an, indem er von heiligen Gesetzen spricht:
Der Dichter Friedrich Schiller fand 1795 in seinem Gedicht „Der Spaziergang“ zu folgender Übersetzung:
Am 30. Januar 1943 zog Hermann Göring in einer Rede vor Wehrmachtsangehörigen einen Vergleich zu der noch andauernden Schlacht von Stalingrad, um damit die Befehle Hitlers zum Kampf „bis zur letzten Patrone“ ideologisch und historisch zu legitimieren und die Bevölkerung auf die nicht mehr abzuwendende Niederlage vorzubereiten:
An diese verlogene Heroisierung eines Opfertodes für das Vaterland, die sich auf die klassische Antike beruft, knüpft Heinrich Bölls Kurzgeschichte Wanderer, kommst du nach Spa… von 1950 an. Der Ich-Erzähler findet sich schwerverletzt in ein Lazarett eingeliefert, dessen Einrichtung der des humanistischen Gymnasiums Friedrich der Große entspricht, welches er bis vor drei Monaten acht Jahre lang besuchte. Dass er sich tatsächlich dort befindet, wird ihm aber erst zur Gewissheit, als er an der Tafel des Zeichensaals die von ihm selbst stammende, zu groß geratene und deshalb nicht vollständig auf die Tafel passende Schreibübung „Wanderer, kommst du nach Spa“ erkennt. Auf dem Operationstisch ausgewickelt, wird ihm gleich darauf klar: Er hat keine Arme mehr und nur noch ein Bein.
ὦ ξένε
- ὦ ξένε
- ō xene
- „Fremder!“
Allgemeine Anrede an Personen, deren Namen man nicht kennt oder deren Namen man nicht sagt. Übersetzt mit „mein Freund“, „mein Bester“.
Der deutsche Philosoph Bernhard Waldenfels schreibt in seinem Essay über Atopie: (*)
Ὦ οἷα κεφαλὴ, καὶ ἐγκέφαλον οὐκ ἔχει.
- Ὦ οἷα κεφαλὴ, καὶ ἐγκέφαλον οὐκ ἔχει.
- Ō hoia kephalē, kai engkephalon ouk echei.
- „Oh, was für ein schöner Kopf, doch fehlt das Hirn!“
Der Humanist Erasmus von Rotterdam schreibt in seiner Sprichwörtersammlung Adagia:
Erasmus bezieht sich auf die Fabel vom Fuchs und einer Bildsäule, griechisch «Ἀλώπηξ πρὸς μορμολύκειον» (wörtlich: „Ein Fuchs über eine Schreckensgestalt“).
Die lateinische Entsprechung ist „caput vacuum cerebro“.
Ὦ παῖ, γένοιο πατρὸς εὐτυχέστερος
- Ὦ παῖ, γένοιο πατρὸς εὐτυχέστερος, τὰ δ’ ἄλλ’ ὁμοῖος.
- Ō pai, genoio patros eutychesteros, ta d’ all’ homoios.
- „Kind, werde glücklicher als dein Vater, im übrigen ihm gleich!“
Letzter Wunsch des sterbenden Ajax an seinen Sohn in der gleichnamigen Tragödie des Sophokles. In der Vorszene sucht Odysseus Spuren zur Bestätigung des Gerüchts, Ajax habe das Herdenvieh hingemetzelt. Die Göttin Athena befiehlt Ajax, sich in seinem bejammernswerten Zustand zu zeigen.
In der ersten Hauptszene erkennt Ajax, wieder zur Besinnung gekommen, dass er den Göttern verhasst ist und vom Heer verabscheut wird. Noch immer wünscht er, die Heerführer zu töten, um anschließend selbst zu sterben: „Der Edle lebt in Ehren oder geht in Ehren ab.“
Tekmessa fleht um Mitleid für sie und ihren gemeinsamen Sohn Eurysakes, denn ihr und dem Kind wäre nach seinem Tod das Sklavenlos bestimmt. Entschlossen zu sterben, nimmt Aias Abschied von Eurysakes und bestimmt seinen Halbbruder Teukros zum Erzieher des Kindes. Er verschließt sich aber dem Flehen seiner Frau, sich nichts anzutun.
Ὦ παῖδες Ἑλλήνων ἴτε, ἐλευθεροῦτε πατρίδ’.
- Ὦ παῖδες Ἑλλήνων ἴτε, ἐλευθεροῦτε πατρίδ’.
- Ō paides Hellēnōn ite, eleutheroute patrid’.
- „Ihr Söhne der Hellenen, auf! Befreit unser Vaterland!“
Der Dichter Aischylos erklärt in seiner Tragödie Die Perser, die den Untergang der persischen Flotte in der Seeschlacht von Salamis aus der fiktiven Sicht des persischen Königshofes behandelt, worum es für die Griechen geht. Als die Perser in den Sund einfuhren, hörten sie lautes Rufen:
Die Griechen waren zahlenmäßig weit unterlegen. Um Abhilfe zu schaffen, fragte Themistokles das Orakel von Delphi um Rat. Die Antwort des Orakels war erst nach einer zweiten Befragung: „Seiner Tritogeneia schenkt Zeus nur die hölzerne Mauer“ (siehe ξύλινον τεῖχος). Themistoklies interpretierte diesen Ausspruch nicht wörtlich als hölzerne Stadtmauer, sondern so, dass nur die Trieren der Athener Schutz gegen die Perser bieten konnten. Die Männer waren auf den Schiffen und die Frauen und Kinder brachte man in der Nähe von Salamis in Sicherheit.
Ὤδινεν ὄρος καὶ ἔτεκε μῦν.
- Ὤδινεν ὄρος καὶ ἔτεκε μῦν.
- Ōdinen oros kai eteke myn.
- Variante: Ὤδινεν ὄρος καὶ ἔτεκεν μῦν. Ōdinen oros kai eteken myn.
- „Es kreißte der Berg – und gebar eine Maus.“
Dieses vermeintliche Sprichwort geht auf eine Fabel des Äsop zurück und hat zum Inhalt, dass ein Ergebnis trotz großen Aufwands unbefriedigend ist. Diese Fabel wurde von Phaedrus ins Lateinische übertragen und von Gotthold Ephraim Lessing in seiner Abhandlungen über die Fabel besprochen, der dazu auch das Gedicht Der Berg und der Poet von Friedrich von Hagedorn zitierte: (*)
Die bekannteste lateinische Version stammt aus der Ars poetica („Dichtkunst“) des Dichters Horaz, wo es heißt:
Mit diesen Worten kritisiert Horaz Dichter, die viel versprechen, aber nur wenig halten.
ὧραι τῆς ἡμέρας
- ὧραι τῆς ἡμέρας
- hōrai tēs hēmeras
- „Stunden des Tages“
Zitat aus dem Evangelium nach Johannes. Jesus sagte zu seinen Jüngern, als diese ihn davor warnten, dass er in Judäa gesteinigt werde:
Die Tageseinteilung in der Antike kannte schon zwölf Stunden, doch wurden diese vom Sonnenaufgang an gerechnet, waren entweder gleich lang (babylonische Stunden) oder je nach Jahreszeit von variabler Länge (römische Stunden).
Die Horen, wörtlich „die Zeitabschnitte“, waren die ursprünglich griechischen Göttinnen, die das geregelte Leben überwachten. Sie waren die Schutzgöttinnen der verschiedenen Tageszeiten. In griechischer Tradition wurden die zwölf Stunden von kurz vor Sonnenaufgang bis kurz nach Sonnenuntergang gezählt. Diese antike Einteilung hat sich als Liturgische Tageseinteilung erhalten.
Gervasius von Tilbury behauptete, der Kirchenlehrer Augustinus habe aus den Anfangsbuchstaben von vier Horen den Namen des ersten Menschen Adam zusammengesetzt:
Ὥρας δ’ ἔθηκε τρεῖς.
- Ὥρας δ’ ἔθηκε τρεῖς.
- Hōras d’ ethēke treis.
- „Drei Jahreszeiten gab der Himmel.“
Anfang des Gedichts An Artemis Orthia des spartanischen Dichters Alkman, in dem die antike Einteilung der Jahreszeiten wiedergegeben wird:
In alten Zeiten kannten die Griechen lediglich zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter, die sich allmählich den klimatischen Verhältnissen Griechenlands entsprechend aufspalteten. Bei Homer finden sich vier Bezeichnungen:
- ὁ χειμών ho cheimōn (Winter; vom Frühuntergang der Plejaden bis zur Frühlings-Tagundnachtgleiche)
- τὸ ἔαρ to ear (Frühling; bis zum Frühaufgang der Plejaden am 20. Mai)
- τὸ θέρος to theros (Sommer; bis zum Frühaufgang des Arktur am 20. September)
- ἡ ὀπώρα hē opōra (Zeit des Reifens, eigentlich nur der letzte Teil des Sommers [Spätsommer])
Der hier nicht aufgeführte Herbst (τὸ φθινόπωρον to phthinopōron) geht vom 20. September bis zum Frühuntergang der Plejaden am 4. November.
ὡς ἐν ἄλλῳ κόσμῳ
- ὡς ἐν ἄλλῳ κόσμῳ
- hōs en allō kosmō
- „wie in einer anderen Welt“
Diese Redewendung gehört zu den ersten Adagia des Humanisten Erasmus von Rotterdam, der schreibt:
Weiter schreibt Erasmus, dass Plutarch in seinen Tischgesprächen feststellt:
Hierzu merkt die Herausgeberin Theresia Payr an, dass Erasmus einen verderbten Text hatte. Im Original sind es nämlich nicht Griechen, sondern die Meerestiere, die einer anderen Welt angehören.
Ὡς ἔρις ἔκ τε θεῶν καὶ ἀνθρώπων ἀπόλοιτο.
- Ὡς ἔρις ἔκ τε θεῶν καὶ ἀνθρώπων ἀπόλοιτο.
- Hōs eris ek te theōn kai anthrōpōn apoloito.
- „Schwände doch jeglicher Zwist unter Göttern und Menschen!“
Vers aus der Ilias. Wie Aristoteles in seiner Eudemischen Ethik überlieferte, distanzierte sich Heraklit scharf von Homer, dessen Aussage seiner Konzeption des Kampfes zuwiderlief: Während nämlich Homer ein Streben nach Befriedung streitender Parteien artikuliert, ist für die heraklitische Philosophie der Kampf ein notwendigerweise immerwährender, das Dasein konstituierender Prozess.
Im Einzelnen schrieb Aristoteles:
Siehe auch Ὅμηρον ἔϕασκεν ἄξιον ἐκ τῶν ἀγώνων ἐκβάλλεσθαι καὶ ῥαπίζεσθαι καὶ Ἀρχίλοχον ὁμοίως. („Er sagte, Homer verdiene es, aus den Wettkämpfen herausgejagt und verprügelt zu werden, und ebenso Archilochos.“)
ὡς κλέπτης ἐν νυκτί
- ὡς κλέπτης ἐν νυκτί
- hōs kleptēs in nykti
- „wie der Dieb in der Nacht“
Nach dem 1. Brief des Paulus an die Thessalonicher soll der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht:
„Tag des Herrn“ (hebräisch יום האדון jom adonai) bezeichnet im Alten Testament den Moment des göttlichen Gerichtes, das endzeitliche Gerechtigkeit für den Gottesfürchtigen bringt. Später wurde es auch zu einer bedrohlichen Chiffre der Apokalyptik.
Ὥσπερ γὰρ καὶ τελεωθεὶς βέλτιστον τῶν ζῴων ἄνθρωπός ἐστιν, οὕτω καὶ χωρισθεὶς νόμου καὶ δίκης χείριστον πάντων.
- Ὥσπερ γὰρ καὶ τελεωθεὶς βέλτιστον τῶν ζῴων ἄνθρωπός ἐστιν, οὕτω καὶ χωρισθεὶς νόμου καὶ δίκης χείριστον πάντων.
- Osper gar kai teleotheis beltiston ton zoon anthropos estin, outo kai choristheis nomou kai dikes cheiriston panton.
- „Denn wie, wirklich Mensch geworden, der Mensch das beste von allen Lebewesen ist, so ist er fern von Gesetz und Recht das allerübelste.“
- Aristoteles, Politik 1253 a 31–33.
Ὠτίων πιστότεροι ὀφθαλμοί.
- Ὠτίων πιστότεροι ὀφθαλμοί.
- Ōtiōn pistoteroi ophthalmoi.
- „Augen sind zuverlässiger als Ohren.“ (wörtlich: „Öhrchen“)
Diese Feststellung, dass die Augen zuverlässigere Zeugen als die Ohren sind, deckt sich mit der folgenden Erkenntnis des Philosophen Heraklit:
An anderer Stelle heißt es bei Heraklit (überliefert von Polybios):
Einzelnachweise




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